Spermienqualität

Untersuchung der Spermienqualität

Großaufnahme von Spermium kurz vor der Befruchtung einer Eizelle

Die Zeugungsfähigkeit eines Mannes ist in der Regel keine Frage seiner Potenz, sondern hängt davon ab, ob seine Spermien eine Eizelle befruchten können. Eine Beurteilung der Spermien des Mannes – und somit eine Beurteilung seiner Fruchtbarkeit – ermöglicht das Spermiogramm. Dabei handelt es sich um eine mikroskopische Untersuchung des Ejakulats (Samenergusses) in einem Labor. Diese Untersuchung ist schnell, einfach und schmerzlos. Das Spermiogramm wird meist bei einem Urologen oder einem Andrologen durchgeführt. Als mögliche Vorab-Information kann ein selbst durchgeführter Spermienschnelltest dienen.

Kosten eines Spermiogrammes

Bei bestehendem unerfülltem Kinderwunsch, oder auch wenn der behandelnde Frauenarzt ein Spermiogramm empfiehlt, lohnt sich die Verhandlung mit der Krankenkasse bezüglich einer Kostenübernahme, ansonsten kostet ein einfaches Spermiogramm ungefähr 100- 200 Euro.

Worauf Sie achten sollten, wenn Sie ein Spermiogramm machen lassen wollen: 

Um eine ausreichende Aussagekraft zu gewährleisten, wird das Sperma nach zwei- bis dreitägiger Enthaltsamkeit mittels Masturbation direkt in ein steriles Gefäß gewonnen. Die Gewinnung des Ejakulates über Kondome wird nicht empfohlen, da es durch die in den meisten Kondomen enthaltenen spermaschädlichen Stoffe zu einem Absterben der Spermien kommen kann. Es gibt aber auch spezielle unbeschichtete Kondome im Handel, falls Sie den Samen im Rahmen eines Beischlafes gewinnen wollen. Nach Gewinnung muss das frisch gewonnene Sperma innerhalb ½ bis 1 Stunde in einem Labor zur Analyse kommen. Längere Wartezeit oder Auskühlung des Ejakulates kann die Spermien schädigen. Die laboranalytische Untersuchung beginnt nach der Verflüssigung des Spermas, die in der Regel nach circa 15 – 30 Minuten einsetzt. Im Mittelpunkt steht die mikroskopische Beurteilung der Samenzellen mit Hinblick auf ihre Konzentration, Beweglichkeit und Form.

Das Spermiogramm: Werte nach WHO

Die Beurteilung eines Spermiogrammes erfolgt in der Regel nach Richtlinien, die die WHO (Weltgesundheitsorganisation) erarbeitet hat.

Diese Referenzwerte für die Untersuchung des Ejakulats (Spermiogramm) werden in regelmäßigen Abständen durch die Weltgesundheitsorganisation WHO überarbeitet und neu festgelegt. Sie beruhen auf den Untersuchungsergebnissen von fruchtbaren Männern. Im Frühjahr 2010 ist die 5. Auflage des Handbuchs “WHO laboratory manual for the Examination and processing of human semen” erschienen und brachte einigeNeuerungenim Hinblick auf die Referenzwerte.

Dabei ist wichtig zu wissen, dass es sich hier nicht um Normwerte handelt, bei deren Unterschreiten automatisch von einer männlichen Unfruchtbarkeit ausgegangen werden kann. Auch Männer mit einer schlechteren Spermienqualität können durchaus Kinder bekommen. Die WHO-Parameter stellen aber eine weltweit gültige Richtlinie zur Beurteilung der männlichen Fruchtbarkeit dar und ermöglichen eine standardisierte und vergleichbare Beurteilung.

 

Die neuen Normwerte im Einzelnen (WHO- Normwerte vor 2010 in Klammern)

pH-Wert ≥ 7,2
Ejakulatvolumen 1,5 ml (2 ml)
Spermienkonzentration ≥ 15 Mio (20 Mio.) Spermien pro Milliliter
Spermiengesamtzahl ≥ 39 Mio (40 Mio) Spermatozoen
Beweglichkeit ≥ 32 % progressiv bewegliche Spermien, ≥ 40 % bewegliche Spermien
Morphologie >4 % (30 %) normale Formen
Anteil lebender Spermien (Eosin-Test) ≥ 58 % (75 %)
Spermien-Antikörper
Mixed antiglobulin reaction (MAR)
< 50 % Spermien mit anhaftenden Partikeln
Leukozyten < 1 Mio. pro Milliliter

 

Ejakulatvolumen

Die Menge des Spermas hat meist keinen wesentlichen Einfluss auf die Fruchtbarkeit. Entscheidend ist die Menge der Spermien in der Flüssigkeit.

pH-Wert 

Der normale pH-Wert ist leicht alkalisch, ein saurer pH-Wert wirkt abtötend auf die Samenzellen.

Spermienkonzentration

Die Konzentration der Spermatozoen im Ejakulat wird durch Auszählen in einer Zählkammer oder computergestützt ermittelt.

Beweglichkeit (Motilität)

Durch die WHO wird die Motilität in drei Kategorien eingeteilt:

progressiv bewegliche Spermien, bewegliche Spermien, unbewegliche Spermien

Die Beweglichkeit wurde bis 2010 als normal eingestuft, wenn sich mehr als 25 % der Spermatozoen schnell progressiv (Kategorie a) bewegten. Inzwischen gilt nach der neuen WHO Richtlinie eine Gesamt-Progressivbeweglichkeit von  mindestens 50 %   (Kategorie a + b) als Norm

Morphologie

Die Gestalt der Spermatozoen gilt als sehr wichtig für die Beurteilung der Fruchtbarkeit.

Ein Spermium besteht aus drei Teilen: dem Kopf, dem Mittelstück und dem Schwanz. Der Kopf des Spermiums enthält die Erbinformation, die darüber liegende Kappe enthält Enzyme, die das Eindringen in die Eizelle erleichtern. Im Mittelstück befinden sich Zellorganellen  (Mitochondrien), die Energie für die Fortbewegung bereitstellen. Der Schwanz generiert die Bewegung.

Für die WHO gilt eine normale Morphologie von mindestens 4 % aller Spermien als ausreichend

Vitalität

Die Bestimmung der Vitalität (Anteil lebender Spermatozoen) erfolgt durch das Anfärben toter Spermatozoen mit dem Farbstoff Eosin, der durch die Zellmembran in das Zellinnere eindringt. Die Zellmembran lebender Samenzellen ist für Eosin undurchlässig.

Spermien-Antikörper

Das Vorkommen von Spermien-Antikörpern in der Samenflüssigkeit kann ebenfalls die Fruchtbarkeit beeinträchtigen. Diese Antikörper richten sich gegen die Spermien, indem sie in einer Autoimmunreaktion an deren Oberfläche binden und die Spermien hemmen. Daher wird das Ejakulat mit einer Mixed antiglobulin reaction (MAR) auf Spermatozoen-Antikörper untersucht.

Weiße Blutkörperchen (Leukozyten)

Wenn das Sperma eine große Anzahl weißer Blutkörperchen enthält, so kann dies ein Hinweis auf eine bestehende Infektion oder Entzündung sein. Wenn mehr als eine Million Leukozyten pro Milliliter Sperma gefunden werden, so gilt dies als signifikant.

Sonderuntersuchungen

Die Untersuchung des Spermiogrammes mit sehr hoch auflösenden Mikroskopen (MSOME) oder Bindungstests der Spermien an speziell mit Hyaluronsäure beschichteten Petrischalen (PICSI) sind Spezialuntersuchungen, die im Rahmen einer reproduktionsmedizinischen Behandlung eine verbesserte Auswahl der am besten zur Befruchtung geeigneten Spermien ermöglichen. Auch andere Tests, die die genetische Integrität der Spermien einschätzen lassen ( Halo-Test, TUNEL Test etc.) können dazu genutzt werden, eine bessere Einschätzung davon zu bekommen, wie viele Spermien genetisch verändert sind.

Angaben zur Verflüssigung des Spermas

Laut WHO soll sich das normale Sperma innerhalb von zehn bis 30 Minuten verflüssigen. Braucht es deutlich länger, so ist eine Befruchtungsfähigkeit in Frage gestellt, weil die Spermien nicht schnell genug ihrem Bestimmungsort zustreben können.

Weitere biochemische Untersuchungen

In bestimmten Fällen ist die Durchführung weiterer biochemischer Analysen möglich. Sie können Hinweise geben auf mögliche Funktionsstörungen der Prostata, der Samenblase und der Samenleiter.

Eingeschränkte Spermienqualität

Einer der häufigsten Gründe männlicher Zeugungsunfähigkeit ist eine eingeschränkte Spermienqualität im Sinne einer Oligozoospermie (zu wenige Spermien), Asthenozoospermie (zu schlecht bewegliche Spermien) oder Teratozoospermie (zu viele formveränderte Spermien).

Leider zeigt das Spermiogramm bei Störungen der männlichen Fruchtbarkeit meist mehrere Abweichungen. Nicht selten findet man alle drei Einschränkungen sogar bei ein und dem selben Patienten (OAT-Syndrom).

Referenzen:

World Health Organization. Laboratory manual for the examination of human semen and sperm–cervical mucus interaction, 4th ed. Cambridge, Cambridge University Press, 1999

World Health Organization. Laboratory manual for the examination of human semen , 5th ed. Cambridge, Cambridge University Press, 2010

Über den Autor

Dr. rer. nat. Birgit Wogatzky

Die Diplom-Biologin und Ernährungsexperting Dr. rer. nat. Birgit Wogatzky befasst sich seit vielen Jahren mit den Bedürfnissen von Kinderwunschpaaren. Für den „fruchtbarkeit-blog“ berichtet sie immer wieder in allgemein verständlicher Weise von aktuellen Forschungserkenntnissen rund um das Thema „Lifestyle und Ernährung bei Kinderwunsch.

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